Freitag, 16. Dezember 2011

Gönninger Heimatbuch von 1952 (Teil 46): Geschichte - Gönningen, die Kirche

Die Längsachse der Kirche verläuft, wie bei allen alten Kirchen, mit einer kleinen Abweichung vom Aufgang zum Niedergang. Der Chor steht mit dem Glockenturm auf dessen Südseite im Osten, das Schiff gen Westen. Nach Auskunft von Fachkundigen ist der untere Teil des Turmes der älteste Teil an der ganzen Kirche. Seine hohen, schmalen, spitzbogigen Schießscharten weisen noch ins 13. Jahrhundert zurück. In einer lichten Weite von 2,75 m im Geviert ist die Turmmauer zu unterst 1,75 m dick, verjüngt sich aber nach oben von Stockwerk zu Stockwerk. Der Turm ist aus Plattacher Feldsteinen erbaut. Das Mauerwerk ist leider durch einen unschönen Verputz verdeck. Der Aufsatz aus Tuffsteinen, wie auch das überschlanke Turmdach, stammt aus der Erneuerung der Kirche aus den Jahren 1842-1844.
Aus dieser Zeit statt auch das Schiff in seiner heutigen Gestalt. Es war einstmals viel kürzer, beim Neubau wurde es verlängert und verbreitert. Denn zu jener Zeit war Gönningen volkreicher als heute. Zuvor und von Anfang an war das Schiff nur so breit als der Chor noch heute ist, natürlich auch entsprechend niederer. Einstmals mag den First wie an anderen Orten ein Storchennest geziert habe. Das Aussehen des alten Turmes, wie auch der alten Kirche insgesamt, ist nicht mehr bekannt, es gibt weder eine Beschreibung davon, noch ein Bild. Der Chor in seiner spätgotischen Gestalt ist bei dem Neubau nicht verändert worden. Leider ist wohl bei eben diesem Umbau manches wertvolle Alte vernichtet worden; weder birgt die heutige Kirche ein Grabdenkmal, noch eine Totengedenktafel, wie sie im 16. und 17. Jahrhundert vermögliche Bürger in die Kirche hängen ließen, noch sonst ein Kunstwerk aus alter, vorprotestantischer Zeit. Wir müssten da sicher etwas erwarten, denn die Kirche war doch wohl die Grablege der Ortsherren, besonders der Stöffler als Sitfter und Eigen¬tümer der Kirche. Aus der Baugeschichte der Kirch ist bemerkenswert, dass möglicherweise schon 1608 eine bauliche Veränderung vorgenommen wurde, denn über der südlichen Kirchentür stand vor der Erneuerung die Zahl 1608 eingehauen.
Nach dem jahrzehntelangen Hin und Her, weil immer die Gemeindekasse zu schwach für ein solches Unternehmen war (1760 erbaute die Gemeinde ein neues Rathaus, 1811 ein neues – heute das alte – Schulhaus), wurde im Jahr 1838 die Kirchenerweiterung einfach von oben befohlen. Am 13. März 1842 war im alten zu engen Kirchlein der letzte Gottesdienst, am 27. Oktober wurde die erneuerte Kirche eingeweiht. Das alte Schiff verschwand völlig für den nunmehr wuchtigen Baukörper des neuen Schiffes musste der Turm erhöht werden, obenauf kam über den Knauf eine Wetterfahne, die uns noch heute den wettermachenden Wind anzeigt. Der Bau kostete 39 929 Gulden, ein Heidengeld für jene Zeit, und es heißt, die Gemeinde habe zur Schuldaufnahme damals den ganzen Unterlauernwald verpfänden müssen. Bauherr war die Gemeinde, Baumeister der Baurat Rupp aus Reutlingen, der auch den neuen Lichtenstein erbaut hat; sein Bauführer war Glocker aus Nürtingen, dessen Wappen am Chorgestühl unverständiger Mutwille zerstört hat. Es wäre interessant zu wissen, wieso die Baulast an der Kirche auf der bürgerlichen Gemeinde liegt, denn solches ist ursprünglich Aufgabe des Kirchherren (Patron) oder des Heiligen.

Keine Kommentare: